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AutorenbildMartina Schmid

Italienische Lederwaren



Lederhandtasche vor Meeresküste


Italienische Lederwaren …

Der Ausdruck allein klingt wie ein geflügeltes Wort, als würden Italien und Lederwaren in der allgemeinen Vorstellung unzertrennbar zusammengehören, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt. Lederartikel „Made in Italy“ umweht der Hauch des Besonderen, des Außergewöhnlichen. Vor allem gelten sie weltweit als unerreichter Qualitätsmaßstab, als Symbol für Luxus und edelste Handarbeit. Das italienische Lederhandwerk ist aber viel mehr als die großen bekannten Designermarken, die sich auf den Fashion Weeks oder auf den roten Teppichen von Filmpreisverleihungen präsentieren. Es ist eine der letzten Bastionen einer erfolgreichen Handwerkskunst in Europa.

 

Eine jahrtausendealte Tradition

Antike Wurzeln

Lederverarbeitung war in Italien schon in der Antike bekannt: Römische Sandalen, wie sie nicht nur von Legionären getragen wurden, aber auch Gepäck, Gürtelflaschen, Mantelriemen, Gürtel und dergleichen sind archäologisch belegt, was auch ihre damals schon erstaunliche Strapazierfähigkeit beweist. Und tatsächlich stand diese bis zur Renaissance im Mittelpunkt. Erst mit dem Aufblühen von Künsten und Kunsthandwerk kam dem ästhetischen Aspekt eine neue Rolle zu. Neben alltäglichen Gebrauchsgegenständen entstanden nunmehr auch kunstvolle Luxusaccessoires für die Oberschicht: Besondere Damenhandschuhe, teure Bucheinbände waren zu dieser Zeit ein begehrtes Statussymbol. Die Toskana und Venezien waren seit jeher die Regionen, in denen die Lederverarbeitung einen festen Stand hatte – sie blieben es bis heute.

 

Luxusobjekt und verlässliche Wertarbeit zugleich

Der permanente Wechsel zwischen strapazierfähigem Gebrauchsgegenstand und Luxusgut zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des italienischen Lederhandwerks. Mit der Industrialisierung zumindest einiger Arbeitsprozesse konnte die Produktion zwar in einem größeren quantitativen Rahmen geschehen, doch die Priorität einer beispiellosen Qualität blieb unbeirrt erhalten. Von Schuhen insbesondere wurde in erster Linie Langlebigkeit erwartet – ein Jahr bei täglichem Tragen war der Anspruch, den ein jedes Paar erfüllen musste. Dies beflügelte nicht zuletzt das Export-Geschäft, das von dem herausragenden Ruf der Produkte  profitierte und bald zum Hauptsegment der italienischen Lederwarenherstellung werden sollte und es mit einem Umsatz von sechs Milliarden Euro bis heute blieb.


Erfolgsrezept: Qualität, Eleganz und Unverwechselbarkeit

Doch was diesen Siegeszug wirklich erklärt, ist ein aus der über die langen Jahrhunderte gewachsenen Verarbeitungstradition geborenes System, das sich aus vier Hauptelementen zusammensetzt: der Auswahl der besten Tierhäute, den aufwändigen Gerbungsmethoden und den strengen Kontrollen der zuliefernden Gerbereien, den kompromisslos hochwertigen Verarbeitungstechniken in Bezug auf Schnitt und Nähte, aber auch in einem hohen Maße aus einer wiedererkennbaren, einzigartigen Eleganz, die den Geist Italiens unnachahmlich verkörpert.




Lederhandwerk - verschiedene Lederstreifen am Tisch



Italienische Lederwaren heute

Konkurrenz aus dem Ausland … direkt vor der Haustür

Doch dieser Ruf hat seinen Preis, der nicht für alle, die von italienischer Wertarbeit träumen, erschwinglich ist, und die globalisierte Welt öffnet Fälschungen und dem (nicht immer legalen) Import von Lederwaren aus anderen Kontinenten, namentlich aus Asien, Tür und Tor. In Venedig, einer der eigentlichen Hochburgen der Lederverarbeitung, breiten Straßenhändler aus Afrika unerlaubt ihre Decken aus, um Billigprodukte unter prestigeträchtigen Markennamen an Touristen zu verkaufen – eine Praxis, der die Polizei trotz täglicher Einsätze nur noch schwer Herr wird. In kleinen Geschäften in unmittelbarer Nähe der Hauptsehenswürdigkeiten wiederum bieten chinesische Händler hinter einer legalen Fassade falsch gekennzeichnete preiswerte Importware an– sehr zu Lasten der echten italienischen Lederartikel und ihres bis dahin tadellosen Rufs. Dem Gesetzgeber wird vorgeworfen, er habe nicht genug getan, um das Label „Made in Italy“ konsequent zu schützen.

 

Umweltbewusste Ansätze

Das wachsende ökologische Bewusstsein und die Ablehnung tierischer Rohstoffe auch in der Kleidung oder in Form von Accessoires setzen dem Handwerk darüberhinaus noch weiter zu. Die großen Marken sehen sich nun genötigt, vegane Produkte anzubieten, um mit den Wünschen des Marktes Schritt zu halten.

Im Segment des echten Leders jedoch wird vor allem nach moderneren und schonenderen Methoden geforscht, um einer veränderten Gesetzgebung und strengeren Auflagen zu entsprechen. So ist die Pflanzengerbung ein immer häufiger angewandtes Verfahren, das weniger Wasserverbrauch und weniger Verschmutzung und Geruchsbelästigung verspricht.


Eine Schule vermittelt zwischen Tradition und Zukunft

In Florenz, wo unzählige Gerbereien und kleine Werkstätten in der Via dei Conciatori, der Gerberstraße also, und dem den Färbern gewidmeten Corso dei Tintori rund um die Basilica di Santa Croce nach wie vor das Handwerk hochhalten, ist auch die Scuola di Cuoia ansässig, eine Lederakademie, die jungen Handwerkern alle Fertigkeiten und Fähigkeiten nahebringt, die ihnen ermöglichen sollen, die Kunst der florentinischen Lederverarbeitung so zu meistern, dass sie sie mit ihren eigenen, zeitgemäßen Inhalten füllen können.


Der Endloszyklus der Geschichte italienischer Lederwaren geht also weiter und das Wie, in diesem Punkt sind sich die ältesten Lederhandwerker und die jüngsten Ausgebildeten einig, steht schon fest: Das Handwerk wendet sich auf der Grundlage seiner langen Tradition und seines unvergleichlichen Könnens resolut dem Luxussegment zu, in dem es seine Zukunft sieht – dorthin nämlich, wo die Einzigartigkeit des Materials, die Wertigkeit der Verarbeitung, unerreicht elegantes Design und das unvergleichliche Gefühl, das der Duft und die Haptik einer jeden Hand- oder Reisetasche, eines jeden Paars Schuhe, eines jeden Gürtels dem glücklichen Käufer schenken, weiterhin geschätzt werden.



Wussten Sie …
- dass es im Italienischen für das Wort „Leder“ viele Übersetzungen gibt? 'Cuoio' bezieht sich auf robuste, feste Ledersorten, wie sie etwa für Sohlen verwendet werden. 'Pelle' steht für weichere Materialien, 'pellame' wiederum ist sowohl ein Überbegriff als auch das Wort für Lederwaren. Hierzu kommen unzählige regionale Bezeichnungen mit charmantem Lokalkolorit.
- dass sich Italien bei der Angabe der Schuhgrößen heute noch ein eigenes Maßsystem erhalten hat? Ein Schuh in italienischer Größe 36 entspricht in den anderen europäischen Ländern der Größe 37.

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