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„Champagner-Witwen“

Autorenbild: Martina SchmidMartina Schmid

Veuve Clicquot Champagnerwitwe

Wie starke Frauen die Welt des Luxus veränderten


Der Übergang zwischen dem alten Jahr und dem neuen ist weltweit mit vielen Ritualen, Bräuchen und Gewohnheiten verbunden, die nicht nur regional, sondern auch sehr individuell sein können. In einem Punkt aber herrscht in der westlichen Welt Konsens: Etwas Perlendes im Glas muss einfach sein … und ein wenig Luxus erst recht. Nichts verbindet beides so stilvoll und köstlich wie Champagner. Das Wort allein bringt uns schon ins träumerische Schwelgen. Denn Qualität und Geschmack dieser besonderen Schaumweine sind unvergleichlich. Die Namen und  das Renommee der großen französischen 'Maisons de Champagne' sind jedem Gourmet ein Begriff:  Clicquot-Ponsardin, Pommery, Laurent-Perrier, Bollinger, Roederer ...

Weniger bekannt ist, dass es diese berühmten Champagner vermutlich längst nicht mehr geben würde, hätten nicht außergewöhnliche Frauen die Geschichte und die Zukunft dieser Häuser und das Schicksal der gesamten Champagnerkultur geprägt. „Champagner-Witwen“ werden sie genannt, doch dieser beinahe despektierliche Ausdruck gibt nicht annähernd ein Bild dessen wieder, was wir ihnen zu verdanken haben.


 

Ein trockener, wenig prickelnder juristischer Hintergrund


Dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben und die gleichen Berufe ergreifen, ist heute zwar - zumindest auf dem Papier - eine Selbstverständlichkeit, doch dieser Gedanke war dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fremd. Frauen durften lange Zeit ohne Wissen und schriftliche Erlaubnis ihres Mannes nicht einmal ein Bankkonto eröffnen, und die Vorstellung einer „Geschäftsfrau“ oder „Unternehmerin“ hätte reichlich abwegig angemutet. Eine verheirate Frau war von ihrem Mann abhängig, eine unverheiratete von ihrem Vater oder dem nächsten männlichen Verwandten, einem Onkel oder Bruder. In der Champagne gesellte sich zu diesem Hintergrund eine besondere Form von Erbrecht: Ein Weinberg ging nach dem Tod des Winzers an das erste Kind. War es eine Tochter, so übernahm ihr Mann das Gut weiter. War sie nicht verheiratet, empfahl es sich, dem schnell Abhilfe zu schaffen, damit das Unternehmen nicht verfällt. Eine Ausnahme gab es jedoch: Witwen durften unter Führung dieses „Titels“ das Unternehmen ihres Mannes weiterbewirtschaften, damit für Kunden und Personal die sogenannte „juristische Kontinuität“ erhalten blieb. Nur in ihrer Eigenschaft als Witwen konnten Frauen also Geschäfte tätigen, Schecks und Wechsel unterschreiben und kaufmännische Entscheidungen treffen.

 

1805: ein bemerkenswertes Jahr in der Champagne



Die Veuve Clicquot: Geschäftsfrau, Erfinderin …


Die erste Frau, die in der Champagne von dieser Möglichkeit Gebrauch machte, war

Barbe Nicole Clicquot, geborene Ponsardin. Vor dem fatalen Jahr, das ihr Leben und die Geschicke einer ganzen Region für immer verändern sollte, tritt sie außer durch ihre Geburts- und Heiratsurkunde in keinen Aufzeichnungen in Erscheinung. Bekannt ist nur, dass sie 1777 als Tochter des Bürgermeisters von Reims, der Hauptstadt der Champagne, geboren wurde, der eine Bank und Webmanufakturen besaß. Sie stammte also aus dem Großbürgertum und so erscheint ihre Heirat 1798 mit François Clicquot, dem Sohn und Erben des großen Champagner-Winzers Philippe Clicquot, als gesellschaftlich folgerichtig. Als ihr Mann bereits sieben Jahre nach der Hochzeit 1805 stirbt, erweist sich die junge Witwe als erstaunlich patent und kaufmännisch tüchtig und sie darf wohl als die erste echte Geschäftsfrau der Champagne bezeichnet werden. Sie sollte nicht die letzte sein. Sie führt das Unternehmen mit eiserner Hand, bemerkenswerter Fantasie und großem Erfindungsreichtum. Ihre Devise „Es gibt nur eine Qualität: die allerbeste“ ist heute noch der Marketingleitsatz des Hauses, und ihrem Sinn fürs Praktische und ihrem technischen Verstand ist das berühmte „Rütteln“ zu verdanken: Das regelmäßige leichte Drehen der Flaschen in einem Gestell, wodurch die Heferückstände im Wein aufgelöst werden und ihm seine typische Klarheit verliehen wird. Sie ist auch diejenige, die das berühmte orangene Label erfindet, das sich von allen anderen Champagner-Etiketten deutlich abhebt und nun bereits über zwei Jahrhunderte unverwechselbar blieb. Sie erfindet die Cuvées, den Champagner Brut, umgeht mit List die von Napoleon Bonaparte verhängte Kontinentalsperre, um ihre Bouteillen nach Russland zu liefern. Ihr Name steht bald international für Qualitätsschaumwein, und heißt die Marke eigentlich „Clicquot-Ponsardin“, wie das französische Winzer-Erbrecht es vorsah, so bestellt man heute noch in Frankreich schlicht eine „Flasche Veuve Clicquot“.

 

… und Vorbild


Ebenfalls 1805 stirbt ein anderer Champagner-Winzer, Nicolas-Simon Henriot. Seine Witwe folgt 1808 dem Beispiel der Veuve Clicquot und gründet das Haus „Veuve Henriot“. Sie reist nach England und Holland, um ihren Champagner bekannt zu machen, und erfindet damit das „Pröbchen“-Marketing. 1850 erlebt ihre Marke die größte Bestätigung überhaupt: Sie wird als offizieller Lieferant des Wiener Hofes eingetragen.


 

Große Champagner-Häuser sind das Werk ungewöhnlicher Frauen

Ironischerweise könnte man sagen, dass es für einen Mann wenig zuträglich zu sein scheint, als Champagner-Winzer geboren zu sein.

In Epernay übernimmt 1846 die mit 39 Jahren verwitwete Claude-Josephte Devaux mit Unterstützung ihres Sohnes das Weingut ihres verstorbenen Mannes. Nach ihrem Tod übernimmt ihr Sohn Charles-Auguste Devaux die Leitung des Unternehmens. Als dieser 1879 stirbt übernimmt seine Witwe Augusta-Maria die Geschäfte. Ihr gelingt es, den deutschen und den russischen Markt zu erobern. Mit ihrem Tod geht das Zepter weiter an ihren Sohn Charles-Auguste Devaux und als dieser 1907 stirbt, ist es natürlich seine Witwe, die die Leitung des Unternehmens übernimmt. Sie führt es bis zu ihrem Tod im Jahr 1951.

 



Pommery Champagner Flaschen in mehreren Größen

Ein weiterer großer Name, der bis heute für exzellenten Champagner steht, ist Pommery. Der Erfolg - sowohl in kaufmännischer als auch in qualitativer Hinsicht - ist untrennbar mit einer außergwöhnlichen Frau verbunden: Jeanne Alexandrine Louise Pommery. Unter ihrer Leitung wuchs die Produktion des Weinguts nach nur zwei Jahren von 50.000 auf beeindruckende 2 Millionen Flaschen jährlich. Sie war es auch, die Verkostungen direkt im Keller des Weinguts einführte und damit eine Marketingtradition begründete, die bis heute Bestand hat.

Flasche Grand Siècle Champagne Laurent Perrier
Champagne Laurent-Perrier

Im Jahr 1887, nach dem tragischen Tod von Eugène Laurent bei einem Autounfall, übernimmt seine Witwe Mathilde Emilie Perrier die Leitung des Weinguts. Durch den Tod ihres Mannes ist es ihr gestattet, wieder ihren Mädchennamen zu tragen, fortan wird das Haus „Veuve Laurent-Perrier“ heißen. Das damals kleine, zu der Zeit hochverschuldete Weingut, das jährlich nur wenige Hundertausend Flaschen produzierte, führte sie mit außergwöhnlichem Geschickt zurück auf die finanziell gesunde Bahn. Heute ist Laurent-Perrier ein florierender Konzern mit einem Jahresgewinn von über 15 Millionen Euro – ein beeindruckendes Vermächtnis des unternehmerischen Könnens einer mutigen Frau.

 


Ebenso bemerkenswert ist die Geschichte von Camille Olry-Roederer, die Anfang der 1930er Jahre das heute hochgeschätzte und traditionsreiche Maison Louis Roederer erfolgreich sanierte und neu positionierte.


Tatsächlich teilen viele der großen Champagnerhäuser, deren Namen uns stets zum Schwärmen bringen – Pol Roger, Bollinger und viele andere – eine ähnliche Geschichte von außergwöhnlichen Frauen, die mit Weitblick, Tatkraft und Mut ihre Unternehmen geprägt und zu neuen Ufern geführt haben.



Heute: Die Champagne ist weiblich


Heute sind es zwar nicht mehr die Witwen, die die Geschicke der besten Champagner lenken, doch sind es noch immer Frauen, die die Branche maßgeblich prägen: Zu nennen wären unter anderem Vitalie Taittinger, Nathalie Vranken, die Pommery vorsteht, und Carol Duval-Leroy.

Damals wie heute erweist sich die weibliche Note, die die Geschichte des prickelndsten Getränks der Welt durchzieht, als unvergleichlicher Gewinn. Die Nachfolgerinnen der legendären Witwen haben viel mit ihnen gemein: Mut, Fantasie, Durchsetzungsvermögen und einen untrüglichen Sinn für Kundenerwartungen, Qualität und Stil.

 

 

Wenn wir also mit einem Glas Champagner auf das neue Jahr anstoßen, dann sollten wir vielleicht mit etwas Rührung und Dankbarkeit an jene bemerkenswerten Frauen denken, die diese Kostbarkeit zu dem gemacht haben, was sie ist: Der zeitlose und internationale Inbegriff von Tradition, Lebensart, Eleganz und Festlichkeit.

À la Vôtre Mesdames !


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