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AutorenbildMartina Schmid

Edle Schreibgeräte – unendlich viel Welten


Edle Schreibgeräte auf Holz


Ob sie in einer einsamen Schatulle in der Schublade ihr Dasein fristen, täglich verwendet werden oder in einer Vitrine das Auge erfreuen – edle Schreibgeräte lassen niemanden wirklich gleichgültig. Sie sind schon seit langer Zeit Ausdruck unserer Identitäten, mit persönlichen Erinnerungen an gute und schlechte Tage verbunden … und sind in den letzten Jahren immer mehr zu einem Wirtschafts- und Lifestyle-Faktor geworden. Sie sind somit ein gutes Beispiel dafür, dass Veränderungen nicht notwendigerweise mit dem Aussterben bestimmter kultureller Errungenschaften einhergehen müssen, sondern dass das, was uns einmal wichtig war, durchaus in neuen Formen Teil unserer Lebensart bleibt und sogar an Wert gewinnt.


Edle Schreibgeräte im Computerzeitalter: die Welt „davor“ …

Viele Menschen besitzen mindestens einen schönen Füllfederhalter oder Kugelschreiber, der mit einem denkwürdigen Meilenstein ihres Lebens verbunden bleibt. Bis zu den 1990er Jahren waren teurere Schreibgeräte tatsächlich ein traditionelles Geschenk zu bedeutungsvollen Ereignissen, etwa zur Kommunion, zum Start des Studiums oder zum bestandenen Abschluss, oder wurden mit Stolz mit dem ersten Gehalt oder zur Feier einer Beförderung selbst gekauft. Sie standen damit für das Unvergessliche, das Erreichte, und so entwickelte sich zu ihnen – wie zu denjenigen, die als Erbstück von einer geliebten Person zurückblieben – eine stark biographische und emotionale, ja mitunter nostalgische Bindung. Dabei spielte es kaum eine Rolle, ob mit ihnen jeden Tag, zu ausgesuchten Gelegenheiten oder niemals geschrieben wurde: Ihnen kam eine Sorgfalt und Zuwendung zu, die dem entsprach, wie sie wahrgenommen wurden: als etwas Besonderes, das verdient werden wollte. … die Welt im Umbruch … In den 1990er Jahren wurden edle Schreibgeräte zwar weiterhin gern als Präsent gekauft, wurden aber eher als Verlegenheitsgeschenk betrachtet – ermöglichten sie es doch, etwas unverfänglich Neutrales zu überreichen, das theoretisch zu jedem passte bzw. das zumindest niemanden beleidigen konnte, ausreichend Wertschätzung zu demonstrieren, ohne sich viele Gedanken über die Person machen zu müssen, ja ohne sie sogar wirklich kennen zu müssen. Das Schreiben auf Papier galt als obsolet, und auf die Idee, sich als Belohnung für eine herausragende Leistung einen exquisiten Füller selbst zu schenken, kam kaum noch jemand.


… und die Welt „danach“

In den letzten 20 Jahren allerdings wendete sich das Blatt. Fortschreitende Digitalisierung, die Allgegenwärtigkeit von Smartphones und die Selbstverständlichkeit des papier- und handschriftlosen Lebens trugen zu einer Renaissance bei, die aus zwei Motivationen heraus erwuchs: zum einen aus der Sehnsucht nach dem Analogen, nach dem Vertrauten und Echten, nach einer realen Welt als Ausgleich zu den virtuellen Universen, in denen wir uns zunehmend bewegen; in diesem Punkt fanden überraschenderweise „Digital Natives“ und die als „Boomer“ verschriene Generation zusammen, die ersten aus Neugier und aus dem Wunsch heraus, etwas physisch Spürbares zu erleben, die anderen aus der Überzeugung heraus, dass es mehr geben könne als die schöne neue Welt und nicht alles Alte gleich über Bord geworfen werden müsse. Parallel dazu spielte die steigende berufliche und digitale Überforderung eine Rolle. Papier und Stift wurden als erholsam langsam, als ein Weg zu Downshifting und Slow life, zu mehr Lebensqualität erkannt.


Ein historisch belegter Mechanismus

Es war in der Menschheitsgeschichte schon immer so: Was nicht mehr unbedingt notwendig ist, doch weiterhin Liebhaber findet, wird zum Luxus-Gut. So hat sich die Industrie der hochwertigen Schreibgeräte nach drei schwierigen Jahrzehnten nicht nur erholt, sondern sie erlebt seit zwanzig Jahren einen noch nie gesehenen Aufschwung, der auch in Krisenzeiten nicht mehr abebbt. Aus dem Alltagsgegenstand mit Flair ist ein Sammlerobjekt geworden, für das bereitwillig Höchstpreise bezahlt werden. Wie Armbanduhren und Weine sind Füllfederhalter nun mehr ein Sammelbereich der absoluten Spitzenklasse.

Neben den großen bekannten Marken sind Produkte immer zahlreicherer kleinerer Manufakturen oder Werkstätten auf den Markt gekommen, und die Auswahl ist kaum noch zu überblicken. Für Sammler, die sich auf Messen und Foren austauschen, bedeutet dies eine Fülle unbegrenzter Möglichkeiten: Sie können sich auf Schreibgeräte eines bestimmten Herstellers konzentrieren, sich für ihre bevorzugte technische Ausführung (etwa Kolben-, Hebel- oder Schlauchfüller) entscheiden oder sich thematischen Untergebieten (wie Damenfüller, Editionsfüller nach berühmten Schriftstellern, Komponisten, Künstlern oder Prominenten, historische Füller …) widmen.


Feiner Kugelschreiber auf Holz


Exquisite Schreibgeräte spiegeln ästhetische Kulturen wider

Ein interessanten Ansatz kann es sein, Füllfederhalter aus bestimmten Ländern zu sammeln. Italien hat sich hier mit vielen großen Marken im oberen Luxus-Segment einen Namen gemacht. Neben Aurora und Visconti mit durchaus kleinen bis mittleren Preisen ist unter anderem Montegrappa zu nennen, bei der die seltensten Stücke auch einen sechsstelligen Betrag kosten können. Italienische Füller sind für Sammler ein echtes Muss: Ihre üppige, oft barocke Ausführung führt im meisterlichen Handwerk jene überschwängliche Lebensart fort, die aus allem ein Fest macht.


Japan hat sich viele Jahre auf die technischen Aspekte der Füllerherstellung konzentriert und bereits zu kleinen Preisen handwerklich hervorragende Produkte angeboten. In den letzten Jahren kommen mit den staatlich und von Verbänden und Privatinitiativen gestützten Bemühungen, das traditionelle Kunsthandwerk Japans in all seinen Facetten zu fördern und seine Existenz durch Marketingmaßnahmen im Inland und einen verstärkten Export zu sichern, viele limitierte Serien aus beeindruckender Handarbeit auf den Markt, die zum Teil aus sehr kleinen Werkstätten stammen. Japan besinnt sich in Materialien und Mustern gezielt auf seine natürlichen Stärken: Maki-e und Urushi-Lack lassen die japanischen Landschaften und Jahreszeiten von Sakura bis zum schneereichen Winter hochleben.


Großbritannien pflegt ganz stilecht auch bei gehobenen Schreibgeräten eine erlesene Distinguiertheit. Sterling-Silber, Zelluloid und ein exzellentes Handwerk kennzeichnen diese Stücke, die ganz britisch auf echte Qualität und Understatement setzen. Auch wenn viele der im frühen 20. Jahrhundert berühmteren Hersteller ihre Manufakturen längst geschlossen haben, sind ihre Produkte als Antiquität weiterhin sehr begehrt.



Sammeln oder nutzen? Grenzräume und Lebensart

Ist es nicht zu schade, ein Schreibgerät als Sammelobjekt zu betrachten und geschützt in seinem Kästchen oder in einer Vitrine aufzubewahren?

Tatsächlich pflegen Sammler im Allgemeinen eine mehrgleisige Strategie. Während einige Stücke etwa aus sehr hochpreisigen limitierten Editionen als Kunstobjekt und Wertanlage in der Tat niemals mit Tinte in Berührung kommen, was bei einem Einkaufspreis in einem oberen vierstelligen oder fünfstelligen Bereich nachvollziehbar ist – würden Sie einen Rembrandt in der Küche aufhängen? –, werden andere teure Füllfederhalter sehr wohl benutzt.

Das Sammeln beginnt oft mit preiswerten Exemplaren im dreistelligen Bereich, die zum eigenen Gebrauch und nicht selten auf der Suche nach dem perfekten Schreibpartner erworben werden. Aus Vergleichen, Neugier und Leidenschaft für diese sinnliche und belohnende Art des Schreibens entsteht dann auf ganz natürliche Weise der Wunsch, weitere zu erwerben. Schließlich harmoniert nicht jeder Tintenleiter, jeder Korpus und jede Feder mit der eigenen Hand oder Handschrift oder passt zur gewünschten Tinte und zu jedem Papier.

Die Grenzen zwischen Schreibkultur und Sammlerehrgeiz sind also immer fließend.



schwarze Füllfeder



Mit einem Füllfederhalter zu schreiben ist immer Ausdruck von Lebensart und Sinnlichkeit. Das Geräusch der Feder auf dem Papier, der Anblick des satten Strichs, der Duft der Tinte und die Gewissheit, ein besonderes Stück Handwerkskunst und ein Unikat in Händen zu halten, das Innehalten, das das Schreiben mit der Hand ermöglicht, schenken einen befriedigenden Genuss, der Gaumenfreunden in nichts nachsteht. Dass Schreibgeräte nicht mehr Selbstverständlichkeit sind, sondern unsere bewusste Entscheidung für einen anderen, hochwertigeren Alltag widerspiegeln, macht sie zu einer Kostbarkeit und Bereicherung – ob als Sammelobjekt oder Begleiter.




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