Foto: @wix.com / Eis
Sommerzeit ist Reisezeit. Andere Länder entdecken, interessanten Menschen begegnen, und nicht zuletzt neue Gaumenfreuden kennenlernen …
Nichts gehört mehr zum sommerlichen Dolce Vita, Lifestyle, Art de Vivre als die kühle, erfrischende, zartschmelzende Köstlichkeit, der Sommer-Genuss schlechthin: das Eis.
Doch ein Eis in der Ferne ist meist nicht die Eisspezialität, die wir von zuhause kennen, experimentieren heißt die Devise. Liegt das etwa an den sprachlichen Feinheiten? Wir geben Ihnen hier ein paar Anhaltspunkte ... eine kleine Eiskunde :-)
Deutscher Adel verzweifelt gesucht … Das vermutlich traditionellste Eis der Deutschen wird für diejenigen, die auch im Urlaub gerne die Sicherheit des Bekannten und Bewährten suchen, nur schwer zu finden sein, denn der arme gute alte Fürst Pückler ist in anderen Regionen der Welt kein Begriff, und das nach ihm benannte Eis in dieser sprachlichen Form schon gar nicht. Die Niederlande bilden hier die Ausnahme. Zwar führten es einige wenige Restaurants in Paris in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts nach dem Vorbild großer Schweizer Hotels als „demi-glace à la Pückler“, durchgesetzt hat sich dort allerdings längst die Bezeichnung „tranche napolitaine“, die auch in den meisten Ländern üblich ist: „Neapolitan ice cream“, „helado napolitano“ und – Adel verpflichtet eben – im Italienischen selbstverständlich „gelato napoletano“. Anderswo bevorzugt man wiederum umschreibende Namen: In Dänemark heißt es schlicht „Trefarvet“ oder „Regnbueis“, also dreifarbiges Eis bzw. Regenbogen-Eis.
Foto: @wic.com / Gelato
Parfait? Noch lange nicht alles perfekt
Wenn von Halbgefrorenem die Rede ist, nutzen Eis-Liebhaber gern den stilecht französischen Begriff „Parfait“. Für diejenigen, die noch nicht mit den Feinheiten der Speiseeiskunde vertraut sind: Als Parfait werden Eis-Zubereitungen aus Eiern, Sahne und dem jeweiligen Geschmackselement bezeichnet, bei denen die Masse nicht vorgekocht und auch nicht in einer Eismaschine gerührt wird, und die ihre besondere lockere Struktur durch Eischnee und die sich in der Standzeit bildenden kleinen Eiskristalle erhalten.
Wer allerdings in den USA oder in Asien ein Parfait bestellt, könnte staunen: Dort ist ein Parfait eine Schichtkreation aus festen und nicht festen Bestandteilen – ähnlich dem britischen Trifle.
In Großbritannien wiederum steht das Parfait nicht in der Dessert-Liste: Denn es handelt sich um eine Leberpastete.
Länderdreieck mal anders
Es ist Aufgabe der Politik und der öffentlichen Meinung, zu entscheiden, inwieweit die Europäische Union die Grenzen zwischen den Kulturen hat verschwimmen lassen und zu mehr Völkerverständigung führen konnte. Im Länderdreieck allerdings herrscht in Sachen Eis-Spezialitäten gewissermaßen der Kalte Krieg. Scherzen Franzosen gern über die Affinität ihrer belgischen Nachbarn zu Kartoffeln und insbesondere Pommes frites, so wissen sie jedoch eine Köstlichkeit zu schätzen, die zwar ursprünglich in einer etwas anderen Grundrezeptur in Wien erfunden wurde, aber zu Ehren des belgischen Beitrags im Ersten Weltkrieg einen belgischen Namen trägt: „Café liégeois“, wörtlich übersetzt Lütticher Kaffee, heißt der vermutlich geläufigste Eisbecher der Welt, der im deutschen Sprachraum als Eiskaffee bekannt ist und als „Chocolat liégeois“ eine koffeinfreie Variante (nicht nur für Kinder!) bietet. Doch ein kleiner Sprung über die Grenze genügt, um Deutsche und Franzosen gleichermaßen zu verblüffen, ja vielleicht sogar zu enttäuschen. Denn unter der kunstvollen Schlagsahne bzw. Chantilly verbirgt sich in Frankreich nicht eine einzelne Kugel Vanille-Eis, sondern drei Kugeln Kaffee- oder Schokoladeneis, und die dort übliche Garnitur aus Kaffeelikör oder Schokoladensoße und gehobelten Mandeln fehlt diesseits des Rheins wiederum meist völlig.
Foto: @Martina Schmid / eurolanguage
Amerikanisches Italien? Oder anders herum?
Das beste Speiseeis der Welt ist unter Gourmets unbestritten das italienische. Doch ist mit italienischem Eis bei weitem nicht länderübergreifend „gelato“ gemeint, wie wir es aus der Eisdiele unseres Vertrauens kennen. In Frankreich ist „glace à l’italienne“ in erster Linie … Softeis, das mit einem Hebeldruck in eleganten Schwüngen aus dem Automaten in eine Eistüte herabgelassen wird – und dieses Eis stammt bekanntlich aus den USA. Auch in Polen und Brasilien wird Softeis als „lody włoskie“ bzw. „sorvete italiano“ bezeichnet, während in Israel von „גלידה אמריקאית (glida america'it)“ die Rede ist.
Das Missverständnis soll zum einen darauf beruhen, dass Speiseeis in Amerika vor allem durch italienische Einwanderer eingeführt und verkauft wurde, zum anderen darauf, dass die besonders cremige Substanz, die durch das Zusetzen von Luft erreicht wird, dem italienischen Eis näher kommt als dem traditionellen französischen Eis, das deutlich fester und im Geschmack intensiver ausfällt. Lediglich in den Großstädten finden sich „glaces italiennes à l’ancienne“ oder „crèmes glacées à l’italienne“, die dem in Deutschland bekannten „gelato“ entsprechen. Softeis wird im französischen Teil Kanadas übrigens dennoch nicht „glace à l’italienne“, sondern „crème glacée molle“ genannt, was die wörtliche Übersetzung des englischen Begriffs ist. Und in Italien? Dort heißt es „gelato alla spina“, „gelato soft“ oder „gelato espresso“, wodurch deutlich wird, dass es sozusagen als Fastfood unter den Eissorten gilt. Verwirrung komplett? Aber nicht doch...
Foto: @unsplash.com / Brooke Lark
Zugegeben: Dies ist nur ein kleiner Abriss der internationalen Verwicklungen, die sich in der köstlichen Welt von Eis und Sorbets aus sprachlichen Fallstricken und kulturellen Gewohnheiten ergeben können. Tatsächlich ist der kalte Genuss für Gourmets ein stetiger Quell der Freude und für Übersetzer eine äußerst angenehme und abwechslungsreiche Herausforderung, die die ganze Leichtigkeit eines fruchtig-süßen Sommers in sich trägt. Doch gibt es auch im Wörterbuch genug „false friends“ zu entdecken, so bleibt das Eis der treueste Freund dieser Jahreszeit.
Und wann dürfen wir Ihre Eisrezepte und Ihre Kreationen und Ideen für die Welt da draußen übersetzen?
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