Lichterfeste in aller Welt rund ums Jahr
- Martina Schmid

- vor 14 Stunden
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Leuchtende Dekorationen, die in der Weihnachtszeit und bis in den Januar hinein die winterliche Dunkelheit vertreiben und Straßen, Schaufenster und Häuser fröhlich erstrahlen lassen, bevor wir das alte Jahr mit einem Feuerwerk verabschieden und das neue begrüßen, sind in vielen Ländern eine Selbstverständlichkeit.
Doch das Licht wird tatsächlich aus den unterschiedlichsten Gründen und in den unterschiedlichsten Formen rund um den Globus und das ganze Jahr über gefeiert.
Feste und Festivals, die dem Licht selbst gewidmet sind, sind ebenso zahlreich wie Anlässe anderer Art, an denen das Licht eine zentrale Rolle spielt – vom Nordpol bis Afrika, von Asien bis Amerika, mitten im Sommer wie im tiefsten Winter.
Von Afrika bis Japan – mit Licht die Ahnen feiern
Die Kulturen Schwarz- und Südafrikas einerseits und die Kultur Japans andererseits könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch verbindet sie eine reiche Palette an Ritualen zur Ahnenverehrung, die erstaunlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Auch wenn die Darbringung von Opfergaben in Afrika in Form von Wein und Tieren erfolgt und in Japan naturgemäß Reis, Früchte, Blumen und Sake gewählt werden, spielt neben Tänzen das Licht eine zentrale Rolle.
In Afrika werden regionenübergreifend Holzfeuer und Fackeln angezündet, die als Medium zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Ahnen fungieren sollen: Durch sie wird die Beziehung zu den Vorfahren gereinigt und gepflegt. Für die Akan in Ghana oder die Chewa in Malawi und viele Bevölkerungsgruppen in Zentral- und Südafrika kennzeichnen brennende Holzscheite oder Fackeln den Umfang des Ritualraums, in dem mit den Ahnen kommuniziert werden kann und von dem durch die Flammen zugleich ungebetene und fremde Geister ferngehalten werden können. Das Licht ist Schutz und Kommunikationsweg, Einführung und Grenze, Zugang und Zaun.
In Japan steht das Obon-Fest お盆, das je nach Region zwischen Mitte Juli und Mitte August begangen wird und einen ähnlichen Hintergrund hat, ebenso im Zeichen des Lichts und des Feuers. An diesen Tagen kehren die Ahnen, ob sie erst kürzlich oder vor Jahrhunderten verstorben sind, dem japanischen Buddhismus zufolge auf die Erde zurück. Um ihnen zu ermöglichen, nach Hause zu finden, werden an den Häusern chochin 提灯, kleine Lampions, aufgehängt. Zum Abschluss der Feierlichkeiten müssen die Ahnen zurück in ihr Reich geleitet werden: Hierzu werden unzählige schwimmende Laternen toro nagashi 灯籠流し, die zuweilen auch mit einer Botschaft an einen bestimmten Verstorbenen beschriftet sind, den Flüssen, Bächen, Seen oder dem Meer überlassen. Was für ausländische Touristen ein wunderschöner und inspirierender Anblick ist, ist für Japaner ein sehr emotionaler, zutiefst berührender Moment des Abschieds und der Liebesbekundung.

So unterschiedlich diese Traditionen wirken mögen, der Sinn bleibt derselbe: Im Licht bleibt die Verbindung zu den Verstorbenen lebendig.
Lichterfeste der Weltreligionen – Brauchtum als Sieg des Lebens über die Dunkelheit
Die Dunkelheit, die Unsicherheit, die Dämonen und ganz allgemein das Böse und den Tod zu vertreiben, ist gerade in der dunklen Jahreszeit in allen religiösen und nicht religiösen Gemeinschaften ein stark ausgeprägtes Bedürfnis.
Das berühmteste Fest dieser Art ist ganz sicher das Ende Oktober oder Anfang November begangene Diwali-Fest, dessen Name sich aus dem Sanskrit-Wort दीपावलि dīpāvali ableitet, was nichts anderes als „Lichterkette“ bedeutet. Dass es sich hierbei nicht um einige Glühbirnchen an einer elektrischen Schnur handelt, verrät schon diese uralte Etymologie. Auch wenn heute in der Tat Häuser in Indien reichlich mit weißen Lichterketten dekoriert werden, so stehen die kleine traditionelle Öllampe diya und Kerzen, die an Fenster und Hauseingänge platziert oder auf der Straße und in Fußgängerzonen zu kunstvollen Mosaiken und Lichtmandalas arrangiert werden, um das Böse abzuwehren, weiterhin im Mittelpunkt der mehrtägigen Festivität. Diwali wird übrigens entgegen der allgemeinen Vermutung nicht nur in Indien und Sri Lanka begangen: Es wird auch in Malaysia, auf Mauritius, in Suriname, auf den Fidschis, Trinidad und Tobago, in Singapur und in der hinduistischen Gemeinschaft Nepals praktiziert.

Besinnlicher und weniger überschwänglich wird im November oder Dezember in Israel und überall auf der Welt in der jüdischen Diaspora Chanukka gefeiert. Dieses achttägige Lichterfest beruht auf der Erzählung eines Wunders, das sich bei der Wiedereinweihung des Zweiten Tempels von Jerusalem ereignet haben soll. Geweihtes Öl, das acht Tage lang brannte, obwohl die zur Verfügung stehende Menge nur für einen einzigen Tag hätte ausreichen können, galt als Zeichen dafür, dass sich auch in verzweifelten Situationen Rettendes ereignen kann. Chanukka wurde zum Sinnbild der Hoffnung und so wird heute noch in den Familien jüdischen Glaubens der Brauch gepflegt, jeden Tag an der Chanukkia, einem neunarmigen Kerzenleuchter, eine weitere Kerze zu entzünden.

Auch im christlichen Glauben ist das Licht Symbol der Hoffnung und Überwindung der Dunkelheit."Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben" heißt es im Johannesevangelium. Aus diesem Gedanken entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte eigene Lichtrituale, die vor allem das Weihnachtsfest begleiten. Das Entzünden der Kerzen am Adventskranz, der mit Lichtern geschmückte Weihnachtsbaum. Bei den Mitternachtsmessen am Heiligen Abend wird das elektrische Licht ausgeschaltet, in der nun nur noch von Kerzen erleuchteten Kirche das Weihnachtslied "Stille Nacht, Heilige Nacht" gesungen. Die Kerze als Symbol für Jesus Christus, das Licht der Welt.
Liturgisch endet die Weihnachtszeit mit dem Fest der Taufe des Herrn, am Sonntag nach Epiphanie, Mariä Lichtmess am 2. Februar mit der Segnung der Kerzen, die für das nächste Jahr Glück und Segen bringen sollen – was in Frankreich, wie könnte es anders sein, kulinarisch gefeiert wird:
La Chandeleur geht streng genommen auf das römische Kerzenfest zurück und entspricht kalendarisch Mariä Lichtmess. In Frankreich erscheint das Licht in Form leuchtender Crêpes, die je nach Deutung die Sonne oder den Mond symbolisieren.

So trägt jeder Ort in dieser Zeit sein eigenes Licht.
In Äthiopien feiert die christlich-orthodoxe Gemeinde jedes Jahr am 19. Januar (in Schaltjahren am 20. Januar) mit dem Timkat-Fest die Taufe Christi im Jordan. Kinder und Erwachsene, vor allem aber Pilger ziehen am Abend mit Fackeln und Kerzen durch die Straßen und rezitieren heilige Texte – Licht als Weg, als Erinnerung und als Segen.
In Kolumbien wiederum ist die (wörtlich: „Die Nacht der kleinen Kerzen“), die den Noche de las Velitas am 7. Dezember mit dem folgenden Tag verbindet, das Lichterfest überhaupt. Laternen und Lampions, aber vor allem Kerzen in allen Formen und Farben schmücken Straßen, öffentliche Plätze, Denkmäler, Einkaufszentren, Gräber, Parks und Häuser innen und außen. Jede Kerze steht für einen Wunsch – wenn sie lange brennt, wird er sich eher erfüllen –, und das so entstandene Lichtermeer soll die Jungfrau Maria in ihren besonderen Festtag am 8. Dezember geleiten und zum jeweiligen Haus führen, damit sie es segnen kann. Ein aufwändiges Rahmenprogramm aus Konzerten, Umzügen, Gottesdiensten und ein traditionelles Mahl im Familienkreis runden das Fest ab, und nicht selten wird die ganze Nacht gefeiert und getanzt.

Das Licht der Natur feiern
In Großbritannien und Skandinavien bieten die saisonalen Sonnenwenden Anlass zu offiziellen und privaten Feierlichkeiten. Zu Mittsommer etwa wird in Ländern wie Schweden und Norwegen die längste Tageslichtausbeute des Jahres mit Lagerfeuern, Tänzen und allerlei Veranstaltungen gefeiert. Die Sonne spielte in der skandinavischen wie in der keltischen Mythologie und Kultur eine zentrale Rolle, die bis heute ihren Ausdruck findet. Dieser besondere Tag des Jahres ist nicht nur in Stonehenge und an ähnlichen Orten ein Muss. Auch kleine Gemeinden in Großbritannien zelebrieren mit lang tradierten Bräuchen wie Freudenfeuern und brennenden Pfeilen den Höhepunkt des Sommers.

Über Jahrhunderte hinweg war Licht Teil des Religiösen und des Rituellen. Mit der Moderne tritt es auf eine neue Bühne, ohne seinen Zauber zu verlieren.
Moderne Lichterfeste – Kunst, Design, Festivals und mehr …
Neben traditionellen und religiösen Lichterfesten oder aber aus diesen haben sich inzwischen rund um den Globus fast unzählige Festivals entwickelt, in denen das nun elektrische Licht der Star ist.
Das berühmteste moderne Lichterfest in Deutschland ist unbestritten das Festival of Lights in Berlin. Zehn Tage lang dienen die berühmtesten Gebäude der Stadt als Leinwand für Lichtkunst-Projektionen, Laser-Shows und 3D-Mapping. Das Konzept wurde bereits mehrere Male erfolgreich exportiert: Unter dem Namen Festival of Lights On Tour wurden ähnliche Veranstaltungen bereits in New York, Toronto, Luxemburg, Bukarest, Zagreb, Moskau, Peking, Zwickau und Jerusalem verwirklicht. Nicht Teil dieser Event-Reihe, aber ebenso beliebt, war bis 2020 das siebzehntägige Berlin leuchtet, das heute nicht mehr stattfindet.
Geboren wurde die Idee, der Lichtkunst eine Bühne zu geben, allerdings in Frankreich, genauer gesagt in Lyon. Das fünftägige Fête des Lumières ist dort eine seit Jahrhunderten verankerte Tradition, die sich bis heute den Wechselfällen der Zeit anzupassen verstand. Entstanden war es im 17. Jahrhundert, nachdem die Honoratioren von Lyon mitten in der Pestepidemie gelobt hatten, dass die gesamte Stadt der Jungfrau Maria jedes Jahr huldigen würde, wenn die Epidemie aufhöre. Die Pest klang dann rasch ab, das Volk hielt dieses Versprechen. Damals wurden Kerzen an die Fenster gestellt, in jüngerer Vergangenheit wurden sie durch Lichtkunst ersetzt und namhafte Künstler und Regisseure haben dieses Festival in den unterschiedlichsten Formen inszeniert und geprägt.

In Südafrika zieht AfrikaBurn Künstler und Schaulustige aus dem ganzen Kontinent an … und darüber hinaus. Mit brennenden Skulpturen werden das Licht, die Sonne, aber auch die Holz- und Feuerkultur Afrikas zelebriert. Für die Dauer des Events, das von Musik-Konzerten und anderen Veranstaltungen begleitet wird, wird in der Tankwa-Karoo-Wüste jedes Jahr im April eine künstliche Stadt gebaut, in der die zahlreichen Besucher wohnen können. Sie können von einem Objekt zum anderen wandern, die Wirkung des Lichts auf das Objekt, später die des Feuers beobachten. Das Tageslicht ebenso wie das Licht des Feuers sollen die Zuschauer dazu anregen, über einen Begriff nachzudenken, der der afrikanischen Kultur und seiner Mythologie wichtig ist: die Metamorphose.

Ein Festival von überwältigender Lichtfülle ist Kobe Luminarie in Japan. Der ursprüngliche Wunsch, im Dezember 1995 der Toten des Erdbebens von Kobe zu gedenken, war die Geburtsstunde einer inzwischen wiederkehrenden Veranstaltung, zu der sich jährlich über 4 Millionen Besucher einfinden. Regie führen ein italienischer und ein japanischer Künstler gemeinsam.
Lichtkunst als dauerhafte oder flüchtige Installationen ist inzwischen zu einer eigenständigen Ausdrucksform geworden, die zunehmend Anerkennung findet. Künstler wie Gerry Hofstetter, James Turrell, Dan Flavin, Andreas M. Kaufmann, Olafur Elíasson haben maßgeblich dazu beigetragen, diesem Medium Ansehen zu verschaffen.

Der Wunsch, die Dunkelheit zu vertreiben, Geborgenheit und Hoffnung zu empfinden, Lebensfreude auszudrücken, ist universell. Ob in einem religiösen, traditionellen oder modern-künstlerischen Kontext – Lichterfeste begleiten die Menschen rund um die Welt und rund ums Jahr. Ihre jeweilige Form ist die Übersetzung dessen, was der jeweiligen Kultur wichtig ist, woraus sie entstand und was sie bis heute prägt, aber auch ein Abbild unserer Zeit und unserer Lifestyles.


