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AutorenbildMartina Schmid

Weihnachtstraditionen

Socken am Kamin und Stiefel vor der Tür –

die Geschichte eines internationalen Weihnachtsbrauchs


Weihnachtsbaum mit einem Kamin mit Weihnachtssocken

Foto: via unsplash.com / Євгенія Височина



Wie sehen Ihre Weihnachtstraditionen aus? Hängen auch bei Ihnen dekorative Weihnachtssocken am Kaminsims und werden rote Nikolausstiefelchen am 6. Dezember vor die Tür gestellt? Um die Entstehung der Socken- und Stiefel-Weihnachtsbräuche ranken sich viele kleine und große Geschichten, und wie so oft vermischen sich Anekdoten aus unterschiedlichen Ländern in kurioser und liebreizender Form – ein Weihnachts-Crossover.

Der heilige Nikolaus

Über Nikolaus von Myra, er lebte im 4. Jahrhundert n. Chr., erzählt man, er habe wahre Wunder bewirkt. Er sei ein besonders gutmütiger und wohltätiger Mensch gewesen, in seiner großen Fürsorge für Arme, Bedürftige und Kinder in Not. Diese Charakterzüge und sein vielfach ikonographisch interpretiertes Gewand bildeten die Grundlage für die Figur des Nikolaus so wie wir ihn heute kennen, dessen Namensfest in vielen Teilen der Welt, vor allem in Mitteleuropa, am 6. oder am Abend des 5. Dezember von Kindern erwartungsvoll herbeigesehnt wird. Und vielerorts wurde er mit seinem eindrucksvollen Bischofsgewand zum Weihnachtsmann stilisiert. Was der heilige Nikolaus von Myra mit Weihnachts-Socken und -Stiefeln zu tun hat, ist allerdings ein wenig kompliziert.


Am Anfang steht ein Märchen

Die Geschichte, die hier am Anfang steht, ist durch Länder und Jahrhunderte so oft um die Welt gereist, dass ihre Originalversion und ihr geographischer Ursprung nicht mehr auszumachen ist. Dass es sich um eine traditionelle Erzählung aus den Niederlanden handelt, ist trotz der eindeutigen etymologischen Verwandtschaft von Santa Claus und Sinterklaas genau so wenig belegbar wie die Auslegung, nach der von einem englischen Märchen die Rede ist, das mit der Gründung der Vereinigten Staaten nach Amerika kam, von dort aus zurück aufs europäische Festland gelangte und sich weiter verbreitete. Zusammenhänge mit der germanischen und skandinavischen Mythologie werden auch immer wieder genannt, jedoch wird vermutlich nie auszumachen sein, wo das Märchen seinen Anfang nahm.

Das Märchen – weithin bekannt und doch ...

Sind die Grundzüge seines Inhalts klar, so herrscht über die – an sich nicht ganz nebensächlichen – Details Uneinigkeit. In einigen Versionen geht es um ein armes Ehepaar mit drei Töchtern, in anderen im Gegenteil um ein zunächst wohlhabendes Ehepaar, wobei der Mann nach dem Tod seiner Frau immer mehr verarmt, da er aus Kummer, und weil er sich um seine noch kleinen Töchter kümmern muss, nicht mehr die Kraft aufbringen kann, genug zu arbeiten, um das Auskommen seiner Familie zu sichern. So oder so: Nach und nach werden die Töchter erwachsen und entwickeln sich zu wunderschönen jungen Frauen. In der ersten Version werden sie von den Eltern zur Prostitution gezwungen. In der zweiten Version möchte sie der verarmte Vater verheiraten, und willige Kandidaten finden sich aufgrund ihrer Schönheit durchaus, doch kann er die erforderliche Mitgift nicht aufbringen. Dem heiligen Nikolaus wird von diesem Schicksal berichtet. Er begibt sich zu dem Haus der Familie und beobachtet durchs Fenster, wie die drei Töchter ihre nassen Strümpfe in der Nähe des Kamins zum Trocknen aufhängen. Er erkennt die Güte und Tugendhaftigkeit ihrer Herzen und beschließt, ihnen zu helfen. Nach Einbruch der Nacht klettert er aufs Dach, schlüpft durch den Schornstein unbemerkt ins Haus und lässt in die Strümpfe drei Goldmünzen oder Goldstückchen gleiten, die ihnen als Mitgift dienen und eine Heirat ermöglichen sollen, damit sie so ihrem Elend entkommen könnten. In einigen Versionen der Geschichte beschließen sie, aus Dankbarkeit für die Opfer und Entbehrungen, die ihr Vater in ihrer Kindheit für sie auf sich genommen hat, für den Rest ihres Lebens bei ihm zu bleiben und das Gold mit ihm zu teilen, das nun für alle ein angenehmes Leben beschert.

Übrigens haben wir es auch dieser Legende auch zu verdanken, dass der Weihnachtsmann durch den Schornstein kommt und seine Geschenke verteilt.


Nikolaus liest aus einem Buch - Weihnachtskugel

Foto: @unsplash.com / Robert Linder



Vom Märchen zur Heiligenlegende – oder umgekehrt? Geschichtlich soll es sich so zugetragen haben, dass die historische Figur des heiligen Nikolaus in den Winternächten und insbesondere um die Weihnachtszeit seine Helfer durch die Armenviertel schickte, um heimlich Münzen zu verteilen. Oft soll er einen Teil der Aufgaben persönlich übernommen haben. Da die Menschen – so heißt es – es gewohnt waren, ihre Schuhe bei günstigem Wetter über Nacht auf der Türschwelle trocknen zu lassen, fanden sie am nächsten Morgen die vom unbekannten Wohltäter hinterlassene Münze in ihrem Schuh vor. Ob das Märchen unabhängig von der – nicht wirklich belegten – historischen Begebenheit entstand, eine bereits bestehende Erzählung mit ihr verschmolzen ist oder das Märchen sogar nur eine neuere Variante darstellt, ist unbekannt. Sehr wahrscheinlich ist auch diese vermeintlich getreue Version nicht wirklich, denn es ist kaum anzunehmen, dass arme Menschen des 4. Jahrhunderts in Myra festeres Schuhwerk als Sandalen trugen und sie zudem draußen stehen ließen, wo sie von anderen noch ärmeren Menschen hätten entwendet werden können.


Wie aus nass aufgehängten Strümpfen allerlei Schuhwerk wurde

In England und den USA werden Weihnachtssocken und Weihnachtsstrümpfe, oft aus rotem Stoff oder Filz, bereits in der Vorweihnachtszeit entweder stilecht an einen Kaminsims oder einfach an eine Kordel gehängt und man gibt kleine Wichtel- oder Weihnachtsgeschenke hinein. In vielen Familien hängen sie vom 1. Advent bis Weihnachten an ihrem traditionellen Platz, sie sind nicht nur Dekoration sondern dienen auch als netter Adventkalender. Auch in anderen Ländern, in denen der Nikolaus den Kindern kleine Geschenke, Schokolade und Mandarinen bringt, hat sich der Strumpf zumindest der Form nach erhalten, auch wenn aus ihm dann der Einfachheit halber wie in Deutschland ein Stiefel geworden ist, der am Abend des 5. Dezember vor die Tür gestellt wird und für den Nikolaus im Vorbeigehen wesentlich leichter zu befüllen ist als eine Socke.

In den Niederlanden stellte man zunächst Holzpantinen, später dann blitzblank geputzte Lederschuhe vor die Türe. Diese sind jedoch nicht einfach nur Behältnisse für die zu erwartenden Geschenke, sondern im Gegenteil der „Briefkasten“ zur Übermittlung der Wunschlisten der Kinder. Neben den Schuhen steht ein Eimer mit Wasser und zudem Karotten für Sinterklaas‘ Pferd, das sich in Ruhe stärken kann, während Sinterklaas die Liste durchliest und das Bravsein der Kinder geprüft wird. Anschließend werden die Geschenke hinterlegt und ein Klopfen an der Tür signalisiert, dass sie nun froh entgegengenommen werden können.

In Frankreich, wo mit Ausnahme der deutschsprachigen Grenzregionen Elsass und Lothringen der Nikolaustag eigentlich unbekannt ist, findet die Bescherung durch den Père Noël am 25. Dezember statt, nachdem die Kinder – und sehr zu ihrer Freude auch die Erwachsenen – am Heiligabend ihre ebenfalls sorgfältig polierten und glänzenden Schuhe unter den geschmückten Tannenbaum gestellt haben.

Kultureller Austausch, Reisen zwischen Ländern und Kontinenten, entzückende, kitschige Weihnachtsfilme, all das hat dazu geführt, dass immer mehr weihnachtliche Bräuche länderübergreifend übernommen werden, dass amerikanische Ugly-Christmas-Sweater den Weg in unsere Wohnzimmer und Weihnachtssocken mit bunten Rentier- und Santa Claus-Motiven an unsere Füße gefunden haben. Der heilige Nikolaus würde sich sicher auch darüber freuen.







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