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Was an Weihnachten nicht fehlen darf Teil 1

Ein Streifzug durch Weihnachtstraditionen in aller Welt



Bunter Teller - Weihnachtsplätzchen


Für die einen ist es eine lang gepflegte Gewohnheit, etwa Hausmusik, ein Spaziergang im Park oder der alljährliche Kirchenbesuch, für die anderen das Zusammensein mit besonderen Menschen, das Heimkommen zurück zum Elternhaus, oder schlicht ein bestimmter Gegenstand, der zum Beispiel am geschmückten Baum nicht fehlen darf ... Was an Weihnachten wirklich wichtig ist, was unbedingt dazu gehört, lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten. Jede Familie, jeder Einzelne hat eigene, aus persönlichen Erinnerungen geborene Vorlieben und Maßstäbe. In allen Ländern aber haben auch der kulturelle Hintergrund und das kollektive Gedächtnis einen Einfluss darauf, was an den Feiertagen als „Muss“ gelten darf.


Deutschland: Bunter Teller


Der bunte Teller mit Weihnachtsplätzchen ist in den meisten deutschen Haushalten noch heute eine Selbstverständlichkeit – ob er für Kinder, Enkelkinder oder Nachbarn und Besucher bereitgehalten wird. Immerhin sind sie damit in historisch illustrer Gesellschaft: Der wohl im Ausland nach Goethe bekannteste deutsche Schriftsteller, Thomas Mann, erwähnt in seinen Tagebüchern an mehreren Stellen, wie er sich alle Jahre wieder von seinen quirligen Kindern in den Stunden vor der Bescherung mit bunten Tellern etwas Ruhe und Frieden erkaufte.


Portugal: Stockfisch


Die einzelnen Regionen Portugals pflegen ein recht unterschiedliches Brauchtum. Allen gemein sind jedoch zu Weihnachten Gerichte aus „bacalhau“, Stockfisch, der entsalzen, gekocht und oft mit Kohl und Kartoffeln serviert wird. Die Geschichte dieses Brauchs ist reizend und macht Weihnachten wahrhaftig zum Fest der Liebe. Kabeljau ist für die Seefahrernation Portugal seit jeher ein Hauptnahrungsmittel, das sich in den bis Skandinavien reichenden Fischgründen des Landes in rauen Mengen fand. Die größten Teile des Fangs, die nicht frisch verkauft und verzehrt werden konnten, wurden bereits vor 500 Jahren zu Stockfisch verarbeitet. Dies hatte den doppelten Vorteil, die gesamte Bevölkerung dauerhaft zu versorgen, aber auch den Besatzungen der Entdecker-Schiffe, die die Welt auf der Suche nach neuen Kontinenten und Handelsgebieten erkundeten, eine haltbare, platzsparende und gesunde Verpflegung zu bieten: Stockfisch ist tatsächlich reich an Vitamin C, Protein und Eisen. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein blieb Stockfisch zudem ein wichtiger Bestandteil der täglichen Ernährung, da insbesondere auf dem Land bei weitem nicht in jedem Haushalt ein Kühlschrank vorhanden war. Dass Stockfisch aber zum weihnachtlichen Hauptgericht wurde, hat mit Nächstenliebe und Gerechtigkeitssinn zu tun: An Weihnachten sollte niemand, so die portugiesische Überzeugung, auf etwas verzichten, das alle anderen haben – und da sich selbst die Ärmsten Stockfisch immer leisten konnten, war so sichergestellt, dass alle mit derselben Freude im Herzen feierten.



Kabeljau mit Kohl



Frankreich: Santons de Provence


Frankreich feiert Weihnachten, das dort nicht als Fest der Liebe, sondern als Fest der Kinder bezeichnet wird, gern überschwänglich. Ebenso wie die „bûche“ dürfen für viele die berühmten „Santons de Provence“ nicht fehlen. Die liebevoll und aufwändig von Hand bemalten Krippenfiguren aus Ton sind nicht nur in gläubigen Familien zu finden. Tatsächlich haben sie nichts mit der biblischen Weihnachtserzählung zu tun, sondern zeichnen davon eine eigene Version nach, die sich in einem provenzalischen Dorf abspielt. Sie werden eher aufgrund ihrer Schönheit und der lustigen Geschichten, die sich um jede von ihnen ranken, aufgestellt. Da sie teuer sind, werden sie oft nach und nach gekauft: Jedes Jahr wird eine neue Figur erworben, und die Entscheidung, welche es sein soll, wird im Familienkreis unter Einbeziehung aller Mitglieder sehr sorgfältig diskutiert.







USA: Gartendekoration und Lichterwettbewerbe


Weihnachten kann richtig Arbeit bedeuten. Damit ist in den USA nicht nur das aufwändige Zubereiten des alljährlichen Truthahns oder das Backen von Zimtschnecken und Cookies gemeint. Weihnachten ist hier eine ernste Sache, die sich in bunten und überdimensionalen Dekorationen Ausdruck verschafft. Der Weihnachtsmann, sein Schlitten und seine Rentiere – oder zumindest Rudolf, das berühmteste von ihnen – sind in jedem noch so kleinen Vorgarten zu finden, und auch wenn heutzutage Neonleuchten durch LED ersetzt werden, sind die Weihnachtsbeleuchtungen, die Häuser und Dächer schmücken, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten von schier überwältigender Leuchtkraft. Es gilt, durch Originalität und Perfektion sich selbst jedes Jahr aufs Neue herauszufordern, aber auch durch für Europäer surreal anmutende Watt-Zahlen – was durchaus wegen „Lichtbelästigung“ zu gerichtlich ausgetragenen Nachbarschaftsstreitigkeiten führen kann – zu beeindrucken. Spätestens im November wird die Gestaltung geplant, die Umsetzung beginnt an Thanksgiving und erfordert Ausdauer. Vielerorts gehört an Heiligabend oder am Weihnachtstag der gemeinsame Familienspaziergang zu den verschiedenen Inszenierungen einfach dazu. Einige Gemeinden bilden Preiskomitees, die über die schönste Außendekoration in unterschiedlichen Kategorien ihr sehnsüchtig erwartetes Urteil fällen.







Großbritannien: Weihnachtschöre


Für viele Briten wäre die Weihnachtszeit ohne das sogenannte Weihnachtssingen kein „echtes Weihnachten“. Tatsächlich ist Gesang in den Advent-Wochen allgegenwärtig: Schulklassen ziehen durch die Straßen und bitten auf diese Weise um Spenden; Amateurchöre versammeln sich auf Plätzen und Stufen wichtiger Gebäude und führen schon die wochen- und teilweise monatelang einstudierten Werke vor, die sie an Heiligabend in einem großen Finale in der Kirche vortragen werden; auch kleine Theater, Gemeindesäle oder Schlossherren bieten angehenden professionellen Orchestern oder Sängern in dieser Zeit eine Bühne. Die Freude am Singen, die sich auch in der Auswahl der traditionellen Stücke widerspiegelt, ist geteilte und geschenkte Freude. Sie soll Leichtigkeit vermitteln und ein Lächeln auf die Gesichter aller zaubern, ob sie nur im Vorbeigehen auf dem Weg zu ihren Verpflichtungen ein paar Noten erhaschen oder bewusst stehen bleiben und zuhören. Diese kleinen Vorführungen, die den Alltag verschönern und von Sorgen und Problemen ablenken sollen, sind fast immer auch mit einem guten Zweck verbunden – ganz im Geist der Weihnacht also.


Notenblatt mit Weihnachtsschmuck


Bei allen individuellen und familiären Traditionen zeigt dieser kurze Streifzug durch einige Länder, warum Weihnachten fasziniert: Es geht um den Dialog zwischen dem Gemeinsamen und dem Eigenen, zwischen dem, was uns alle verbindet und in allen Ländern des Abendlandes gleichermaßen gelebt und gepflegt wird, aber auch dem, was unsere jeweiligen Kulturen und Mentalitäten wiederum als Interpretation, ja als Übersetzung des Weihnachtsfestes gewählt haben.

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