Trockenfrüchte, Nüsse & Co in den Weihnachtstraditionen
Foto via @wix.com
Der Winter ist die Zeit der Zitrusfrüchte, aber auch der Nüsse und der Trockenfrüchte aller Art … Kein Wunder, stellen sie doch eine leckere und bequeme Nascherei dar, die im Supermarkt bereits ab dem Herbst, in hohen Schachtelstapeln aufgetürmt oder – gekonnt an auffälligen Stellen platziert – in malerisch verführerischen Jutesäcken angeboten wird. Waren sie noch vor einem halben Jahrhundert eher als großmütterlich altmodisch belächelt, verdanken sie einem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein ein unerwartetes Revival. Tatsächlich sind sie in Maßen genossen eine sinnvolle und natürliche Alternative zu hochverarbeiteten Süßigkeiten und Kartoffelchips: Sie sind energiereich, voller Vitamine, Spurenelemente, Mineral- und Ballaststoffe und scheinen in ihrem süßen Fleisch die ganze Sonne des Sommers einzuschließen. Sind sie heute im Überfluss und über etliche Monate des Jahres verfügbar, so bleiben sie in vielen Ländern auf verschiedenen Kontinenten unzertrennlich mit der Weihnachtszeit verbunden. Doch wieso ausgerechnet Weihnachten, wenn der Winter doch so lang ist?
Weihnachtstraditionen mit einer weit zurückreichenden Geschichte Viele der Dinge, an denen wir uns als Delikatessen erfreuen, sind bekanntlich aus Zufall oder Not entstanden. Die Praxis, Obst an Sonne und Luft bis zu einem gewissen Grad austrocknen zu lassen, um es haltbar zu machen, gehört zweifelsohne dazu und ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Archäologische Funde belegen, dass bereits vor 3.000 Jahren im an Früchten wie Datteln reichen Kleinasien oder im Ursprungsland der Feige, China, entsprechende Vorgehensweisen bekannt und alltäglich waren. In Armenien etwa wurden die allgegenwärtigen Weintrauben zu Rosinen verarbeitet. Diese Konservierungsmethode, die ursprünglich in erster Linie dafür sorgte, dass Ernteüberschüsse für schlechtere (Jahres)Zeiten verwertet und gelagert werden konnten und als Grundnahrungsmittel verfügbar waren, wurde im antiken Griechenland, später im Alten Rom übernommen und auf weitere heimische Früchte übertragen. Dort wurden getrocknete Früchte nach und nach weniger als Lebensretter und Notwendigkeit betrachtet, sondern zunehmend als etwas Besonderes und Kostbares, das zu Ehren hochrangiger Gäste serviert oder als luxuriöses Geschenk gereicht wurde. Die Tatsache, dass ihre Herstellung in Europa klimabedingt nicht überall möglich war, sich in der Neuzeit als relativ aufwändig und teuer erwies oder die Trockenfrüchte gar aus fernen Regionen wie Nordafrika oder anderen Kolonien importiert werden mussten und dass im Sommer wiederum andere fruchtige Verlockungen reichlich vorhanden waren, machte sie zu einer Delikatesse für den kalten Winter, namentlich für die Zeit des Jahres, in der man sich Besonderes gönnt, also die Advent- und Weihnachtszeit. Einheimische Nüsse und Maronen, die ohnehin erst mit dem Herbst reif werden, gesellten sich dazu.
12 oder 13? Weihnachtsnachtische von Polen bis in die Provence In Polen ist die christliche Tradition schon im Alltag wichtig und in der Weihnachtszeit natürlich besonders lebendig. So werden an Heiligabend als Symbol für die 12 Apostel 12 Gerichte serviert, darunter Rotkohl mit Trockenobst, und Nachtische, in denen Früchte und Nüsse eine Hauptrolle spielen: Der Früchtekuchen cwibak oder das Früchte- und Nussbrot chleb wigilijny sind ebenso beliebt wie der Mandelstrudel strucla z migdalowa. Der berühmteste Abschluss eines polnischen Weihnachtsessens jedoch ist ein Kompott aus 12 verschiedenen Sorten Trockenobst, die erst rehydriert und dann auf kleiner Flamme geköchelt werden. Gegessen wird die Süßspeise kalt nach einer möglichst langen Ruhezeit, die für eine weiche Textur sorgt. Die Provence wiederum kennt die 13 desserts de Noël, eine Tradition, die ebenfalls auf der biblischen Abendmahlgeschichte beruht und heute noch in vielen Familien streng eingehalten wird, während andere Bräuche allmählich verblassen. Um die pompe à huile, einen mit Öl verfeinerten Hefefladen, werden verschiedene kleine Teller mit Nüssen und Trockenfrüchten platziert: Wal- und Haselnüsse sollen den Mönchsorden der Augustiner darstellen, Mandeln die Karmeliter, Trockenfeigen die Franziskaner, Rosinen die Dominikaner. Dazu gesellen sich weißer und schwarzer nougat stellvertretend für zwei weitere christliche Buß-Bruderschaften, sowie Datteln, weil sie wie Christus aus Kleinasien stammen, und getrocknete Feigen, deren Herkunft an die drei Weisen aus dem Morgenland erinnert. Ergänzt wird das Angebot durch getrocknete oder im Ganzen kandierte regionale Früchte wie Äpfel, Birnen, Clementinen, sowie Quittenbrot. Diese Nachtische werden zum ersten Mal nach der Rückkehr von der Christmette angerührt und bleiben drei Tage lang zur freien Verfügung auf dem Tisch.
USA und Großbritannien – Früchtekuchen zwischen Hass und Liebe
Nur weil ein Gericht ein traditionelles Weihnachtsrezept ist, muss man es nicht lieben. So wie in Deutschland nicht jeder den Christstollen mag und bei weitem nicht alle Franzosen sich auf Pute mit Esskastanien freuen, die als trocken und zäh empfunden wird, so verhält es sich auch vielerorts mit anderen Spezialitäten.
Der Fruit cake etwa, der in den Vereinigten Staaten nicht nur den eigenen Tisch ziert, sondern gern als selbstgebackenes Geschenk an Nachbarn, Mitarbeiter und Freunde überreicht wird, wird mit gemischten Gefühlen entgegengenommen. Tatsächlich sind Trockenfrüchte dort ganz allgemein eher mäßig beliebt – aus diesem Grund haben sich amerikanische Hersteller im 20. Jahrhundert bemüht, „soft“-Varianten zu produzieren, die dem frischen Obst möglichst nahekommen. Wird die Geste durchaus geschätzt, so landet der Kuchen in vielen Fällen leider dennoch im Mülleimer … oder wird konsequent frech weiterverschenkt. Und so kann es vorkommen, dass er am Ende auf Umwegen wieder zu seinem Ursprung zurückfindet … eine nicht ganz unpeinliche Situation.
In Großbritannien wiederum gehört das gemeinsame Zubereiten des plum pudding oder Christmas pudding aus Nüssen, Trockenobst und Rindernierenfett im großen Familienkreis, zu dem sich mehrere Generationen versammeln, zu den schönsten und herzerwärmendsten Momenten der Weihnachtszeit überhaupt. Ebenso viel Spaß macht das Aufspüren der darin versteckten Münze, die für ein ganzes Jahr Glück bringen soll. Beim Geschmackserlebnis allerdings gehen die Meinungen immer mehr auseinander, und so werden in vielen Haushalten „zur Sicherheit“ Alternativen eingeplant.
Von Skandinavien bis Südamerika – Milchreis mit kandierten Früchten und Nüssen
Von Dänemark bis Island werden zu Weihnachten verschiedene Varianten von Milchreis und Milchreispudding gekocht, die auf vielfältigste Weise verfeinert werden. Risalamande, in den eine ganze Mandel als Glücksbringer gesteckt wird, wird zum Beispiel mit Mandeln und Kirschsoße serviert. Das Wort stammt übrigens aus der akustischen Assoziation mit der falschen Aussprache des französischen Ausdrucks „riz à l’amande“, obwohl dieser Nachtisch in Frankreich gänzlich unbekannt ist.
Diese weihnachtlichen Reispuddings, die im gesamten skandinavischen Raum verbreitet sind, sind zuerst entstanden, als Reis dort noch ein Luxusgut war, das man sich nur zu hohen Feiertagen gönnte. In den Mangelzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum wurde das Rezept zu Weihnachten wieder populär, weil es jedem ermöglichte, mit wenig Geld zu feiern.
Mandeln und Nüsse spielen als Weihnachtsdelikatesse in diesem Teil der Welt eine große Rolle, die viele Gesichter annehmen kann: Marzipan, Nougat, Mandelcreme sind nur einige davon.
Neben panetón und bolo pernambucano, in denen ebenfalls Trockenfrüchte verwendet werden, ist in Lateinamerika zu Weihnachten für Arm und Reich in fast allen Ländern und unter unterschiedlichen Namen ein gestürzter Reispudding mit kandierten Früchten vertreten, der seinen Ursprung in … Baden haben soll! Die französische Schweiz allerdings erhebt ebenfalls Anspruch auf diese Patenschaft. Wie diese Tradition am anderen Ende der Welt zustande kam, ist leider nicht belegt.
Streit an Weihnachten? Italien und mehr …
Zu den vielen Gemeinplätzen und kulturellen Vorurteilen, die mit der Wahrnehmung und Vermittlung von Mentalitäten einhergehen, zählt das legendäre italienische Temperament. Leidenschaftlich wird in der Tat um den „wahren“ Panettone gestritten: Ist das traditionelle Weihnachtsgebäck nur dann „echt“, wenn es lediglich kandierte Früchte, aber keine Rosinen enthält? Sind im Gegenteil Rosinen die einzigen Trockenfrüchte, die in den Teig gehören? Eine Mischung aus beiden in einem bestimmten Verhältnis? Und welche Trockenfrüchte überhaupt? Sollte der Panettone von einer Glasur gekrönt werden? Mit Mandeln verziert? Gar Schokolade oder Schokosplitter im Inneren? Sind die heutigen modernen Varianten mit großen Stücken von Mango und Papaya schlicht nur ein Frevel? Kommt der beste Panettone aus Turin? Aus Mailand? Aus Castelbuono? Wurde er aus Versehen von einem ungeschickten Bäckerlehrling oder von einem verliebten Falkner erfunden? Tatsächlich haben alle Recht. Ein bisschen zumindest ganz sicher. Und es ist so leicht, sich um das fluffige, endlich angeschnittene Gebäck schnell zu versöhnen und alle Meinungsverschiedenheiten zu vergessen …
Foto via @canva.com
Nicht direkt gestritten, allerdings gerätselt und debattiert wird um eine andere – das bemühte Wortspiel möge hier ausnahmsweise verziehen werden – „harte Nuss“. Während in Deutschland Wal- und Haselnüsse, Mandeln und andere Schalenfrüchte in der Weihnachtszeit in Gebäck und als Snack allgegenwärtig sind, stellt sich die Frage nach der kleinen Holzfigur, die Dekoration und Nutzen auf unvergleichlich amüsante Weise vereint. Werden die Nussknacker traditionell im Erzgebirge hergestellt und gelten sie im Ausland als „typisch deutsch“, so steht der Ursprung dieses Zeugnisses deutscher Handwerkskunst nicht wirklich fest. Ein erstes Exemplar mit menschlichen Figuren soll bereits Leonardo da Vinci entworfen haben, doch sind die entsprechenden Skizzen wenig aussagekräftig. Russland, Österreich und Deutschland wähnen sich gleichermaßen als eigentliche Heimat der Nussknacker mit menschlichem Antlitz. Geklärt ist nur, wo die erste Vorrichtung aus zwei Hebeln zum Öffnen von Nüssen erfunden wurde – nämlich im antiken Ägypten.
Orangen und Clementinen – Geschenk oder Strafe? Während in Frankreich noch im 20. Jahrhundert Orangen unter dem Tannenbaum als Strafe für aufmüpfige Kinder zu deuten waren, so war es nicht immer der Fall. Im Barock etwa durften frische, aber auch kandierte Zitrusfrüchte, die mit den Medici und der toskanischen Kochkultur aus Italien eingewandert waren, bei Hofe auf keiner Festtafel fehlen – und dies galt natürlich besonders an Weihnachten. Im Südosten Frankeichs sind sie weiterhin eine kostbare Köstlichkeit, die insbesondere um die Weihnachtszeit gerne gekauft und verschenkt wird. Geschenke ähnlicher Art gibt es zum Jahresende in einem Land, in dem das Weihnachtsfest nicht naturgemäß zu Hause ist: Japan! Kandierte Kumquats und Wollmispeln, nach einer jahrhundertealten Methode luftgetrocknete Kakipflaumen, aber auch frische mikan, eine japanische Clementine bzw. Satsuma-Orange, werden in den letzten Wochen des Jahres als Gabe zu Tempeln und Schreinen gebracht. In der Neujahrsnacht werden als Glücksbringer Mandarinen und Orangen in große öffentliche Holzfeuer geworfen, um die bösen Geister zu vertreiben.
Wer bei Weihnachten also nur an Schokolade, Pralinen und Gewürzkuchen denkt, hat die Rechnung ohne die vielen fruchtigen Traditionen gemacht, die sich rund um die Welt und mitunter mit erstaunlichen Parallelen entwickelt haben. Sie führen uns weit in die Vergangenheit der Menschheit zurück, zuweilen sogar bis in die Zeit der eigentlichen Weihnachtsgeschichte.